News

 

11.04.2025

Wind – Atem der Welt

https://www.3sat.de/wissen/wissenschaftsdoku/241121-wind-im-klimawandel-wetterextreme-durch-globale-erhitzung-wido-100.html

 

29.03.2025

Erich Fried, Meer

Wenn man ans Meer kommt
soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren

und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes einatmen
und ausatmen
und wieder einatmen.

Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in langen Wellen
soll man aufhören zu sollen
und nichts mehr wollen wollen – nur Meer.
Nur Meer.

 

08.01.2025

Lass dich von der Percussionkunst Vanessa Porters überraschen:
https://youtube.com/watch?v=agzBiS42usM&feature=shared

 

„…schließlich wird das Leben nicht in Sekunden sondern in Atemzügen gemessen.“
Letzter Satz aus dem Film „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden“. Empfehlenswert!

 

15.06.2024

Mary Oliver, Ich sorgte mich

Ich sorgte mich um vieles. Wächst der Garten, fließen
die Flüsse in die richtige Richtung, dreht die Erde
sich, wie man sie lehrte, und wenn nicht, wie
soll ich es korrigieren?

Hatte ich recht, lag ich falsch, wird man mir vergeben,
kann ich etwas besser machen?

Werde ich je fähig sein zu singen? Selbst die Spatzen
sind dazu in der Lage, und ich, nun ja,
bin hoffnungslos.

Schwindet mein Augenlicht oder bilde ich mir das nur ein,
bekomme ich Wundstarrkrampf,
Rheuma oder Demenz?

Am Ende erkannte ich, dass Sorgen nichts bringen.
Und ich gab sie auf. Und nahm meinen
alten Körper, ging hinaus in den
Morgen und sang.

 

13.01.2024

Gabriele von Arnim 

„Trost dringt ein in tiefere Schichten, in den Raum der Stille in uns, in den wir hineinatmen, bis uns Flügel wachsen.“

„Wahrscheinlich alle Religionen lehren“, schreibt Navid Kermani, „daß…sich bei jedem Atemzug die Weltseele – also das, was alle Geschöpfe miteinander verbindet – mit der einzelnen Seele vermischt.“

Der Trost der Schönheit (S. 16, 9)

 

20.11.2023

Robert Lax 

Vor kurzem habe ich Robert Lax (1915-2000), einen amerikanischen Lyriker, entdeckt. Seine Texte kennzeichnen Einfachheit und einen unverstellten Blick auf das Leben. Robert Lax: „Ich glaube, wir sind Teil eines universellen rhythmischen Prozesses, denn wir sind alle ein Teil der Natur – wir sind in ihr und von ihr. Wir atmen wie die herein- und herausrollenden Wellen – wir fließen. Kosmische Kreativität und kreative Entwicklung gehen dauernd weiter. Alles singt ständig.“

 

02.10.2023

Teju Cole

Dies ist eine kurze Textpassage aus dem neuesten Buch von Teju Cole: „Black Paper“. Cole besitzt die Gabe, seinen Gedanken das Empfinden einzuhauchen. Seine Texte berühren mich.

Wir sehen, wir hören, wir berühren und werden berührt, wir schmecken, wir riechen. Wir können jederzeit Teile unseres Körpers orten, wir empfinden heiß und kalt, wir fühlen Schmerz, wir können das Gleichgewicht halten, wir kennen Momente der Synästhesie, wir lassen uns von Jasminduft in Staunen versetzen, uns bewegt der Klang der Trommeln, wir spüren, wie sich die Architektur auf den Körper auswirkt. Wir finden in Buch um Buch, Film um Film Augenblicke der Komplexität und Komplizierung, die uns aufrütteln und uns umso enger ans Leben binden, jene körperlichen und neuralen Reize, die uns versichern, dass es nicht nur uns so geht.

Wir bewegen uns mit wachen Sinnen durch die Welt, und treffen auf andere mit wachen Sinnen  – vielförmige und feinstoffliche Körper, die wechselseitig aufeinander einwirken – und dies alles mahnt uns, uns unserer Verantwortung füreinander zu stellen. Wir sitzen im selben Boot, und in diesem Boot riechen wir unsere Körper.

(Teju Cole, Black Paper)

 

10.05.2023

Gemütsruhe

Es gibt viele schöne Texte über das Atmen. Dieser von Shunryu Suzuki gehört zu meinen liebsten.

Zuerst übt, sanft auszuatmen und dann einzuatmen. Gemütsruhe liegt jenseits des Endes der Ausatmung. Wenn ihr also sanft ausatmet,ohne dass ihr auszuatmen versucht, dann tretet ihr in die vollständige Ruhe eures Geistes ein. .. Wenn ihr auf diese Weise ausatmet, dann wird die Einatmung an diesem Punkt ganz natürlich einsetzen. All das frische Blut, das alles von außen heranträgt, wird euren ganzen Körper durchdringen. Ihr werdet völlig erfrischt. Dann beginnt ihr wieder auszuatmen, dieses frische Gefühl in die Leere auszudehnen. So fahrt ihr Moment für Moment fort, ohne zu versuchen, irgend etwas zu tun…..
…..Wenn ihr ohne Mühe einatmet, dann kommt ihr ganz natürlich, mit einer
gewissen Farbe oder Form, zu euch selbst zurück….Der wichtigste Punkt ist eure
Ausatmung.

Shunryu Suzuki, Seid wie reine Seide und scharfer Stahl

 

04.04.2023

Das Atmen

Gerade fand im beim Durchstöbern alter Unterlagen diesen Text von Alexander Solschenizyn aus  den Achtzigerjahren. Ich finde ihn erschreckend aktuell und zugleich fühle ich mich diesem Atem, von dem Solschenizyn spricht, sehr nahe und verbunden.

In der Nacht hat es ein wenig geregnet, und jetzt ziehen noch die Wolken über den Himmel, und ab und zu kommt es ein wenig feucht von oben. Die kleinen Tropfen rieseln gleich auf die rußigen Schornsteine und auf die zerschundenen Dächer unserer vier fünfstöckigen Häuser, die sich um einen quadratischen Hof schließen. Der Hof ist ziemlich groß und vom Regen sehr schmutzig. Und doch hat er etwas sehr Schönes in sich: In der Mitte des Hofes liegt ein rundes Fleckchen lockerer Erde, die von größeren Steinen umsäumt ist. Drei Apfelbäume wachsen in diesem Kreis, und ihr Rauschen im Wind ist wie ein Flüstern der Freiheit von draußen. Denn es ist ein Gefängnishof, und wir machen dort heute einen keinen Spaziergang.

Ich stelle mich unter einen blühenden Apfelbaum und atme, atme….

Nicht nur der Apfelbaum, auch die Gräser tropfen vom Regen, und es gibt keinen Namen für diesen süßen Duft, der die Luft durchtränkt. Ich ziehe diesen Duft mit der ganzen Lunge ein, ich spüre sein Aroma mit der ganzen Brust und ich atme, atme – mal mit offenen , mal mit geschlossenen Augen, und ich weiß nicht, was besser ist….Aber ich spüre die Freiheit!

Ist das vielleicht ein Merkmal, dass ich irre bin? Man sagte mir und allen diesen grauen Gestalten, die über den Hofschleichen – wir seien irrsinnig, geisteskrank, unwürdig in Freiheit zu leben…
Aber hier, unter diesem Apfelbaum, hat man noch das Gefühl der Freiheit, dieser einzigen, allerbesten, allerkostbarsten Freiheit, die wir im Gefängnis so entbehren..

Also atmen, tief atmen, hier unter diesem Apfelbaum! Keine Speise der Welt, kein Wein, ja, sogar kein Kuss einer Frau ist mir süßer als diese Luft, diese Luft, getränkt von Blühen, Feuchtigkeit, Frische.
Drei Bäume auf dem Gefängnishof – es mag noch so winzig sein, aber es ist ein Gärtchen! Ein Gärtchen, das zwischen fünfstöckigen Häusern eingeklemmt ist, die an Tierkäfige erinnern.
Man hat uns in diese Käfige eingesperrt, will wir frei fühlten, frei dachten und frei redeten.
„Aber das ist gerade die große Verirrung des Geistes“ sagte ich ironisch und zugleich traurig zu mir selbst, „die Krankheit, die Freiheitsliebe heißt und auf die hin man uns verurteilte…
Für wie viele Jahre?

Ich ziehe nochmals diesen süßen Duft unseres kleinen Gärtchens aus drei Apfelbäumen tief in meine Lunge ein und freue mich wie ein Kind:
„Draußen hintern den großen Mauern des Gefängnisses höre ich das Hupen der Wagen, das Geheul der Radios und das Geplärr der Lautsprecher…Aber ich brauche das alles nicht: Solange man atmen kann, nach dem Regen, unter einem Apfelbaum, solange kann man ja noch leben!“

Alexander Solschenizyn (Aus dem Russischen übertragen von M. A. Misevicius)